Die Bahnen erfüllen Jugendträume
Mit 52 Jahren hat sich Christian Schuster noch einmal auf die Schulbank gesetzt. Über die Agentur für Arbeit nahm er an einer Weiterbildung zum Triebfahrzeugführer teil. Nach Jobs in den unterschiedlichsten Branchen ist er damit in seinem Traumberuf angekommen – und seit Juni dieses Jahres auf den Schienen in NRW unterwegs.
Um 13.56 Uhr rollt an diesem Mittwoch der RB 59 langsam in den Dortmunder Hauptbahnhof ein. Als der Zug zum Stehen kommt, beginnt das typische Schauspiel einer Haltestelle. Türen öffnen sich. Menschen bewegen sich. Das Ziehen von Koffern sorgt für laute Geräusche auf dem immer noch frisch wirkenden Bahnsteig des kürzlich renovierten Bahnhofs. Mit den Fahrgästen steigt an diesem Tag auch Christian Schuster aus. Seit dem 1. Juni ist der 54-Jährige Triebfahrzeugführer. Sein Weg in das Führerhaus war lang und von vielen Umwegen geprägt. Doch jetzt hat er das Steuer, besser den Hebel in der Hand – und sich damit einen langersehnten Traum erfüllt.
„Als mein Standort in der Stahlindustrie geschlossen wurde, habe ich mich entschieden, mir meinen Jugendtraum zu erfüllen.“
Christian Schuster: Triebfahrzeugführer seit Juni 2024
„Ich wollte schon Ende der 80er-Jahre nach meiner ersten Ausbildung im Einzelhandel auf die Schiene. Damals war es aber nicht so einfach, einen Job zu bekommen,“ erinnert sich Christian. Danach versuchte sich der Mann mit dem markanten Kinnbart in verschiedenen Berufszweigen. Er trug Briefe und Pakete für die Post aus, machte eine Ausbildung zum Systembauwerker und landete schließlich in der Stahlindustrie. „Als mein Standort geschlossen wurde, habe ich mich entschieden, mir meinen Jugendtraum zu erfüllen. Bahnfahren hat mich schon immer gereizt. Es ist schon etwas Besonderes, so ein imposantes Fahrzeug selbst fahren zu können und ganz vorn zu sitzen“, sagt Christian.
Die Qualifizierung zum Triebfahrzeugführer lief über die Agentur für Arbeit und dauerte zwölf Monate. „Das war schon nicht ohne. Ich musste auch das Lernen erstmal wieder lernen. Aber mir hat es Spaß gemacht. Und es ist auf jeden Fall machbar, wenn man zielorientiert arbeitet und sich reinhängt“, ermutigt der 54-Jährige auch andere, sich der Weiterbildung zu stellen. Denn jetzt wisse er mehr als je zuvor, was ihn an seinem neuen Job so begeistert. „Es geht nicht nur um die Tatsache, vorn zu sitzen und den Zug zu bewegen. Im Moment passiert viel mit der Infrastruktur der Schiene. Man sieht jeden Tag, wie Baustellen wachsen oder auch Bahnhöfe saniert werden. Hier in Dortmund ist das momentan auch sehr schön zu sehen“, führt Christian weiter aus.
Reizvolle Aufholjagd
Diese Verbesserungen der Infrastruktur haben momentan auch Nachteile. Verspätungen können eine Folge sein. Aber genau das macht es für den Mann aus Recklinghausen auch wieder spannend. „Man muss sich immer wieder auf neue Situationen einstellen und Lösungen finden. Bei Verspätungen hat man zum Beispiel die Möglichkeit, diese auch wieder aufzuholen. Die sind begrenzt, aber vorhanden – zum Beispiel beim Bremsvorgang. Das macht es dann auch wieder reizvoll. Denn natürlich wollen wir am liebsten immer pünktlich sein“, sagt Christian.
„Es ist nie zu spät. Als Triebfahrzeugführer hast du einen krisensicheren Job, der auch noch gut bezahlt wird.“
Christian Schuster hat seinen Traumjob mit 52 gefunden
Reizvoll ist für den leidenschaftlichen Bahnfahrer auch die Landschaft, durch die er seinen Zug bewegen darf. „Ich fahre in erster Linie Frühschicht. Da fährt man vom Dunklen ins Helle, in den Sonnenaufgang hinein. Das ist wirklich schön. Der Schienenverlauf ist auch spannend. Es ist etwas anderes, nach vorn zu schauen und die Strecke wirklich sehen zu können, als aus dem Fenster im Zugabteil zu blicken. Oder man fährt plötzlich mitten in eine Nebelbank. Immer passiert irgendetwas. Da vergeht die Zeit sozusagen wie im Zuge“, sagt Christian und lacht.
Wie ein Motorradfahrer
Die Begeisterung für seinen Job wird durch das gute Verhältnis zu seinen Kolleg*innen noch weiter bestärkt. Bei den Bahnen grüße man sich, alle seien per Du, egal wie lange man schon dabei sei oder wer vor einem stehe. „Grüßen funktioniert auch auf der Strecke. Da kommt man sich manchmal vor wie ein Motorradfahrer. Das ist schon wirklich eine tolle Gemeinschaft“, schwärmt der Mittfünfziger von seinem Traumjob – und will so auch andere motivieren, ihren Träumen nachzugehen. „Es ist nie zu spät, nicht mit 50 und vor allem nicht, wenn man noch jünger ist. Als Triebfahrzeugführer hast du einen krisensicheren Job, einen Job mit Zukunft, der auch noch gut bezahlt wird. Ich würde diesen Weg immer wieder gehen“, sagt Schuster.
Einen kleinen Nachteil habe sein neuer Traumberuf dann aber doch: „Als ich noch in der Stahlbranche tätig war, stand ich an der Ziehbank, harte körperliche Arbeit. Jetzt, wo ich hauptsächlich sitze, habe ich einen kleinen Lokführer-Bauch angesetzt“, erklärt Schuster auf seine Körpermitte klopfend und lacht. Das sei aber auch der einzige Nachteil, den er sehen könne.
Für heute ist die Schicht von Christian Schuster beendet. Am nächsten Tag um vier Uhr startet seine nächste Tour. Nach einem kurzen Kontrollgang wird er dann wieder in sein Führerhaus steigen, den Zug in die noch bestehende Dunkelheit führen, aus dem Fenster blicken und sich auf einen neuen Tag in seinem Traumberuf freuen – und auf einen neuen Sonnenaufgang.
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