Konflikte im Zug sicher lösen
Kundenbetreuer im Nahverkehr lernen Umgang mit aggressiven Fahrgästen
„Darf ich bitte einmal Ihren Fahrschein sehen?“, fragt Zugbegleiter Thomas N. freundlich. Der angesprochene Fahrgast reagiert nicht. „Ihren Fahrschein bitte“, wiederholt der Bahnangestellte ruhig. Der Kunde springt von seinem Sitz auf und droht mit seinen Fäusten: „Hau ab, du Vogel! Sonst mache ich dich platt!“ Thomas N. hebt abwehrend den Arm hoch. Bevor es richtig ernst wird, ruft eine Stimme aus dem Off: „Abbruch!“
Der „Fahrgast“ hält dem Kundenbetreuer versöhnlich die Hand hin. Auch er arbeitet für DB Regio. Doch hier ist gerade kein echter Streit im Gange, die beiden Männer nehmen an einem sogenannten Deeskalationstraining teil. Diese Fortbildung bietet das Verkehrsunternehmen seinen Mitarbeitern seit vielen Jahren im Rahmen eines besonderen Schulungskonzeptes an.
Die Bahn schützt ihre Mitarbeiter
Auch wenn die große Mehrheit der Reisenden nach wie vor friedlich ist – die zunehmende Gewaltbereitschaft in der Gesellschaft macht auch vor der Bahn nicht halt. So gehören Beleidigungen, Beschimpfungen und sogar körperliche Attacken heute oft zum Arbeitsalltag der Kundenbetreuer in den Bahnen. Häufigster Auslöser für Konflikte ist die Fahrkartenkontrolle. Oft dienen die Zugbegleiter auch als Blitzableiter – nach einem verlorenen Fußballspiel beispielsweise, oder nach dem Konsum von zu viel Alkohol.
Für die DB Regio hat es daher seit langem hohe Priorität, das Arbeitsumfeld ihrer Mitarbeiter und Fahrgäste so sicher wie möglich zu gestalten und ihre Mitarbeiter auf Gewalt-Situationen vorzubereiten. Theoretisches Wissen alleine reicht dabei nicht aus, vor allem in praktischen Trainings erlernen die Kundenbetreuer das richtige Verhalten im Ernstfall.
Praktisches Training rüstet für den Ernstfall
In den Kursen lernen die Bahnmitarbeiter beispielsweise, aggressive Fahrgäste einzuschätzen, Gefahrensituationen zu erkennen, sie rechtzeitig zu verhindern oder zu entschärfen. „Uns ist es sehr wichtig, unseren Kundenbetreuern und Fahrgästen größtmögliche Sicherheit im Zug zu bieten“, sagt Stefan Bergner, Koordinator Zugbegleitdienste. „Mit Hilfe des Deeskalationstrainings sollen unsere Mitarbeiter das nötige Rüstzeug erhalten, sich in bedrohlichen Situationen zu behaupten und zu schützen.“
So üben die Teilnehmer mit verteilten Rollen den Umgang mit aufgebrachten oder aggressiven Kunden. Dabei lernen sie, ihr Gegenüber und die Situation richtig einschätzen zu können. In kritischen Momenten bleiben dem Kundenbetreuer nur Bruchteile einer Sekunde, um richtig zu reagieren: Lieber die Polizei zu Hilfe rufen oder selber beschwichtigend einwirken? Mimik, Gestik und Blickkontakt spielen hier eine Schlüsselrolle. Bergner: „Nur ein Kundenbetreuer, der sich sicher fühlt, kann das auch in seinem Umfeld vermitteln und so für Ruhe und ein höheres Sicherheitsempfinden bei den Fahrgästen sorgen.“