Tausche Anzug gegen Warnweste: Ehemaliger Galeria Kaufhof-Mitarbeiter Michael wird Lokführer
Neue Wege kosten Mut
Am 14. Oktober 2020 um 18 Uhr schließt die Filiale von Galeria Kaufhof am Willy-Brandt-Platz in Essen endgültig ihre Türen. Was bleibt sind leergefegte Regale, rotes Flatterband und Existenzängste. 95 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter treten ihre letzten Arbeitstage an, so auch Michael Wasna. „Ehrlich gesagt bin ich immer fest davon ausgegangen, dass ich meinen Job nicht verlieren kann“, erinnert sich Michael. „Da müssten sie schon schließen. Aber wer hätte gedacht, dass das wirklich eines Tages passiert?“
Mit ansehen zu müssen, wie eine langjährige Konstante im eigenen Leben plötzlich verschwindet, sei dabei für ihn besonders schwer gewesen. „Ich war 37 Jahre in dem Unternehmen tätigt, das ist eine sehr lange Zeit. Kolleginnen und Kollegen wurden zu Freunden und ich habe meine Arbeit wirklich gern gemacht. Deswegen haben wir auch bis zum letzten Tag noch gehofft, dass noch ein Wunder passiert.“
Seine Suche nach neuen Perspektiven auf dem Arbeitsmarkt gestaltet sich für ihn zunächst alles andere als leicht. Sein Alter scheint – so nimmt er es wahr – für viele Arbeitgeber ein Ausschlusskriterium zu sein. „Dabei zeigt mein Werdegang, dass ich meinem Arbeitgeber gegenüber sehr loyal und zuverlässig war und viel Erfahrung mitbringe“, so Michael. Zum Zeitpunkt der Bewerbungen hatte er immerhin noch 14 Jahre Berufstätigkeit vor sich. „Ein Zeitraum indem viele andere Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer wahrscheinlich bis zu sechs- oder achtmal den Arbeitsplatz wechseln würden“, sagt er und ergänzt: „Bei meinem jetzigen Arbeitgeber National Express – wie auch in der ganzen Bahnbranche – wird man auch als Person fortgeschrittenen Alters als vollwertige Arbeitskraft gesehen, in die investiert wird und die sich weiterbilden kann.“ Was ihm erst im Nachhinein aufgefallen ist: Eine ganz neue Ausbildung oder Umschulung anzugehen, kam ihm zunächst gar nicht in den Sinn. „Nach so einer langen Zeit in einem Berufszweig einen Neustart zu machen, entspricht momentan noch nicht der Norm und kostet Mut. Aber ich selbst bin Beweis dafür, dass es sich lohnt!"
Nächster Halt: Quereinstieg im Führerstand
Als er auf einer Betriebsversammlung von Galeria Kaufhof zum ersten Mal mit der Initiative Fokus Bahn NRW in Verbindung kam, schien ihm eine Karriere als Lokführer noch etwas fremd. Doch als er per Zufall nur wenige Tage später auf einen Bekannten trifft, der ebenfalls Lokführer ist, springt der Funke über: „Ich habe mich lange mit ihm über den Beruf unterhalten und einfach alles gefragt, was mir eingefallen ist. Und dann bin ich schließlich über meinen Schatten gesprungen und habe mich beworben.“
Mit Erfolg: Nur wenige Tage später wird er zum Vorstellungsgespräch und dem anschließenden Einstellungstest eingeladen, sein Quereinstieg bei den Bahnen in NRW beginnt kurz darauf. „Auch wenn das nach einem Klischee klingt: Ich habe mich tatsächlich schon als Kind sehr für Eisennbahnen interessiert und sogar eine Modelleisenbahn bei mir zuhause“, verrät der angehende Lokführer. „Dass ich einmal selbst einen Zug fahren würde, kam für mich dann aber doch überraschend.“
Mit seiner Umschulung hat er den richtigen Schritt gemacht, findet Michael. „Dass ich mir nicht mehr jeden Tag Sorgen um meine Zukunft machen muss, hat mir ein kleines Stück Lebensqualität zurückgegeben“, lacht er. „Ich habe das Gefühl, dass mein neuer Arbeitgeber etwas in mich investiert und ich mich weiterentwickeln kann – und das Alter hindert mich nicht daran. Ich kann noch mal etwas ganz Neues machen und tausche für mein eigenes berufliches Abenteuer einfach Krawatte und Anzug gegen Warnweste.“