Was heißt systemrelevant? Lokführer Markus fährt für seine Fahrgäste und für die Verkehrswende
Mit 55 Jahren erfüllte sich Markus Heitkemper seinen Kindheitstraum und wurde Lokführer – nach 30 Jahren Berufstätigkeit als Ingenieur im Produktionswesen. Die Entscheidung traf der Familienvater recht spontan. „Ich las eher zufällig ein Stellenangebot für Quereinsteiger bei der NordWestBahn und sah darin eine Chance, noch einmal ganz neu durchzustarten“, blickt er zurück. Zwei Jahre später ist er ausgebildeter Triebfahrzeugführer im Netz Ostwestfalen.
Vom Bahnpendler zum Lokführer
Markus fährt jetzt die Züge der NordWestBahn, in denen er lange Jahre als Berufspendler unterwegs war. „Viele meiner Fahrgäste kenne ich noch aus diesen Zeiten persönlich. Ich weiß, dass sie als Altenpfleger*innen, Briefträger*innen und Polizisten arbeiten und auf die Bahn angewiesen sind“, erzählt er. Dieses Wissen war ein Stück weit auch Motivation, die Umschulung zum Beginn der Coronakrise vor einem Jahr fortzusetzen – obwohl Markus die Rückkehr in seinen früheren Betrieb und den erlernten Beruf als Ingenieur jederzeit offenstand. „Meine praktische Ausbildung fiel in die acht Wochen des Sonderfahrplans, als kurzfristig weniger Züge fuhren. Das war ein seltsamer Start. Aber mir wurde zugleich sehr bewusst, wie wichtig meine Arbeit als Lokführer ist. Denn es gibt sehr viele Menschen, die nicht im Homeoffice arbeiten können und kein eigenes Auto haben. Sie brauchen ein zuverlässiges Mobilitätsangebot“, meint Markus.
Systemrelevanz ist auch Nähe zum Fahrgast
Seit der Coronakrise gehören deshalb auch Lokführer*innen zu den sogenannten systemrelevanten Berufen. „Aber was heißt das denn?“, räumt Markus ein: „Auf der Schiene und im gesamten Nahverkehr sind alle Berufe wichtig und systemrelevant. Wir brauchen Lokführer*innen, Zugbegleiter*innen, Fahrdienstleiter*innen, die Mitarbeiter*innen in den Werkstätten und viele andere, damit Mobilität funktioniert.“ Als Lokführer fühlt er sich eingebunden in die Bahn- und Nahverkehrs-Familie. Und für diese Familie ist er praktisch immer im Einsatz, auch wenn er ganz privat als Fahrgast unterwegs ist. „Natürlich helfe ich, wenn ältere Menschen oder Fahrgäste mit gesundheitlichen Einschränkungen zusteigen. Oder ich berate am Bahnsteig beim Kauf des richtigen Tickets. Als Lokführer bin ich da immer im Dienst“, sagt Markus. Gerade die persönliche Nähe ist ihm wichtig – zu seinen Kolleg*innen und zu seinen Fahrgästen. „Das macht meinen Beruf erst systemrelevant“, betont er.
Verantwortung für Mensch und Umwelt
Mobilität auf der Schiene verbindet Markus mit Verantwortung für Mensch und Umwelt. Schon vor seiner Umschulung war ihm die Verkehrswende ein Herzensthema. „Eigentlich fahre ich seit 50 Jahren Bahn, erst als Fahrgast, jetzt als Lokführer“, erklärt der heute 57-Jährige und bezieht Position: „Wenn die Bahnen nicht fahren, erreichen wir keine Ziele – weder privat noch beruflich und schon gar nicht in Sachen Verkehrswende und Klimaschutz.“ Als Lokführer im ländlich strukturierten Ostwestfalen-Lippe hat er da allerdings einen ganz konkreten Wunsch: „Wir brauchen neue Mobilitätsideen für bessere Anbindungen an unsere Bahnhöfe. Die Schiene hat sehr viel Potenzial als Alternative zum Auto. Das muss noch besser und im Sinne der Systemrelevanz nachhaltig genutzt werden.“